Heute möchte ich über ein Thema schreiben, das mir persönlich sehr am Herzen liegt: Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Leserechtschreibschwäche (LRS) fördern und unterstützen. Bevor wir jedoch richtig in das Thema eintauchen, möchte ich euch auf einen kleinen Abstecher (oder Exkurs) mitnehmen und euch einige Fakten dazu näherbringend.
Was bedeutet Leserechtschreibschwäche?
Bestimmt ist dir der Begriff Legasthenie bekannt – und da sind wir auch gleich bei der Leserechtschreibschwäche (abgekürzt LRS genannt), denn gemeint ist dasselbe. Inzwischen wird der Begriff Leserechtschreibschwäche verwendet, da sich dieser besser in die unterschiedlichen Bereiche (oder Gesichter) von LRS unterteilen lässt.
Hilfreich zu wissen, dass es Kinder und Erwachsene gibt, die entweder mit Leseschwäche, Rechtschreibschwäche oder mit beiden Teilen von LRS zu kämpfen haben. Ganz wichtig ist dabei zu wissen, dass LRS nichts mit der Intelligenz einer Person zu tun hat und im besten Fall auch keinen Einfluss auf den beruflichen Erfolg hat. Besonders spannend ist, dass es viele bekannte und berühmte Persönlichkeiten gibt, die… Oder hättet ihr gewusst, dass etwas Albert Einstein,…LRS haben oder hatten?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat in ihrer Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) LRS als spezifische Entwicklungsstörung anerkannt. Dies unterstreicht die Bedeutung der Anerkennung und Unterstützung von Menschen mit LRS in unserer Gesellschaft. Im deutschsprachigen Raum geht man davon aus, dass etwa 4% der Schülerinnen und Schüler von LRS betroffen sind.
Was kann ich bei einer Rechtschreibschwäche/-Störung tun?
Nach diesem kurzen Exkurs stellt ihr euch sicherlich die Frage was denn nun getan werden kann, wenn euer Kind von LRS betroffen ist? Bestimmt kennt ihr die gut gemeinten Ratschläge, dass das Kind mehr üben oder lesen sollte. Leider sieht die Realität etwas anders aus: Üben alleine bringt nicht den gewünschten Erfolg. oben genannt, es handelt sich um eine Entwicklungsstörung und die kann durch mehr üben nicht einfach so behoben werden.
Diese Erfahrung habe auch ich gemacht. Mein Lehrer meinte damals zu mir, dass sich meine Rechtschreibung verbessern würde, wenn ich mehr lesen würde. Er war ganz erstaunt, als er erfuhr, dass ich ein Buch pro Woche las. Obwohl ich eine Vielleserin bin, fällt es mir bis heute schwer, bestimmte Wörter zu schreiben. Aber ich habe gelernt, Strategien anzuwenden. So lerne ich besonders schwierige Wörter auswendig und wiederhole sie regelmässig. Zudem achte ich darauf, nicht gleichzeitig zu sprechen und zu schreiben, insbesondere wenn ich Vorträge halte. Schwierige Passagen bereite ich bereits zu Hause vor, um sicherzustellen, dass meine Schreibweise korrekt ist. Was ich euch damit aufzeigen will, ist, dass bei einer Rechtschreibschwäche gezielte Übungen und Strategien wirklich zu einer Verbesserung führen können. Wichtig ist, dass gezielt Übungen eingesetzt werden und nicht wahllos drauflos geübt wird. Für Kinder kann es hilfreich sein, erst einmal die 100 wichtigsten Wörter gut zu automatisieren. So können schon einige Fehler vermieden werden und es werden erste Erfolge sichtbar, was sich natürlich positiv auf die Motivation auswirkt.
Und was kann ich bei einer Leseschwäche/-Störung tun?
Gerade Kinder mit einer Leseschwäche haben es in der Schule besonders schwer. In jedem Schulfach ist Lesen eine grundlegende Fähigkeit, die für den Lernerfolg entscheidend ist. Auch beim Fremdsprachen lernen, ist das Lesen vons von großer Bedeutung, insbesondere was das schriftliche Sprachverständnis betrifft. Kinder mit LRS können daher Schwierigkeiten haben, den Unterrichtsinhalten zu folgen und ihr Wissen angemessen zu präsentieren.
Was kann man bei einer Leseschwäche oder Lesestörung tun? Hilft vielleicht hier regelmässiges Üben? Machen wir doch zuerst ein kleines Experiment: Schau dir bitte für 20 Sekunden die Symbole auf dem Bild unten an und lerne den entsprechenden Buchstaben dazu. Dann darfst du den Beitrag weiterlesen.
Wie bei einer Rechtschreibschwäche sind auch bei einer Leseschwäche gezieltes Üben und Automatisieren wichtig. In meiner Weiterbildung bei Nora Völker, Expertin auf dem Gebiet LRS, hat sie uns anhand eines eindrucksvollen Beispiels verdeutlicht, wie es für Kinder mit LRS oftmals in der Schule ist. Sie verglich die Situation mit einer Orchesterprobe: Wenn dein Kind gerade erst anfängt Geige zu spielen, würdest du es nicht sofort in die Orchesterprobe schicken. Das würde keinen Sinn ergeben – denn das Kind müsste dann viel zu schwierige Stücke immer wieder spielen und üben, was dazu führen würde, dass es den Anschluss verliert und auch die Freude und Motivation daran. Genauso ist es beim Lesen und Schreiben: Die Kinder benötigen nicht nur intensives Üben, sondern auch jemanden, der mit ihnen von Grund auf alles noch einmal betrachtet. Das kann bedeuten, dass ein Schüler in der 4. Klasse zunächst die Buchstaben erneut richtig lernen und automatisieren muss. Denn für ihn sind die Buchstaben vor seinen Augen einfach Hieroglyphen, die er nicht entschlüsseln kann.
Apropos entschlüsseln: du hast vorhin die Symbole auswendig gelernt. Nun kannst du versuchen untenstehende Wörter zu dekodieren – natürlich ohne schummeln.
Gar nicht so einfach, oder? Jetzt hast du ein ungefähres Gefühl, wie es LRS-Betroffenen tagtäglich geht und was für einen riesigen Aufwand an Konzentration sie aufbringen müssen.
Good news und bad news
Die erfreuliche Nachricht ist, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die von LRS betroffen sind, durch gezielte Übungen ihre Lese- und Schreibfertigkeiten verbessern können (gerne unterstütze ich euch dabei in einem Coaching). Fortschritte sind durchaus möglich, auch wenn sie bei LRS-Betroffenen möglicherweise etwas länger brauchen, um sichtbar zu werden. Zu den bad news: Dies bedeutet aber, dass regelmässiges Üben besonders wichtig ist – nicht nur während der Schulzeit. Um stets am Ball zu bleiben, muss auch die Ferienzeit zum Üben genutzt werden, damit bereits Erlerntes nicht wieder vergessen wird. Obwohl ich grundsätzlich der Meinung bin, dass Ferien zur Erholung da sind und nicht zum Arbeiten genutzt werden sollten, kann dies für LRS-Betroffene einen negativen Einfluss auf ihren Fortschritt haben.
Schliesslich möchte ich diesen Beitrag mit einer positiven und motivierenden Nachricht abschliessen: Kinder und Jugendliche mit LRS entwickeln sich zu wahren Kämpfern – sie wissen, was es bedeutet zu lernen, dranzubleiben und für ihre Erfolge zu kämpfen. Diese Fähigkeiten sind äußerst wichtig für ihr zukünftiges Leben.