Zweiter Beitrag – Das Murmelglas

Vielen Dank für die vielen tollen Feedbacks zu meinem ersten Blogbeitrag mit dem Thema Hausaufgaben. Das motiviert mich natürlich sehr zum Weiterschreiben. Ich habe ganz viele Themen, über die ich schreiben möchte – vom Zähneputzen und Bettgeh-Ritual, zum Umgang mit schlechtem Gewissen, bis hin zum Geschwisterstreit. Aber bevor ich mich all diesen Themen widme, möchte ich wie beim Hausbau mit dem Fundament starten: der Kooperation. Kooperation ist ein Begriff oder sogar ein Konzept, dass ich in meinen Beiträgen, den Kursen, und Beratungen immer wieder verwende, weshalb es mir einen ganzen Beitrag wert ist.

Was heisst ‘Kooperation’?

Ich bin der festen Überzeugung, dass Kinder im Alltag mit uns zusammenarbeiten möchten. Sie möchten in unserer Welt dazugehören und uns Eltern gefallen. Dies entspricht einem menschlichen Bedürfnis. Wir alle wollen unseren Beitrag in der Gesellschaft leisten, um Anerkennung und Wertschätzung zu erhalten, was sich wiederum positiv auf unseren Selbstwert auswirkt. Und nicht nur Erwachsene, sondern bereits kleine Kinder haben dieses Bedürfnis nach Wertschätzung, Zugehörigkeit und Anerkennung (wie auch Maslow in seiner Bedürfnispyramide dargestellt hat).

https://www.harmonyandyou.de/die-5-grundbeduerfnisse-des-menschen/

Um in unserer Gesellschaft Anerkennung und Wertschätzung zu erhalten, müssen wir kooperieren. Schlägt man Kooperieren im Wörterbuch nach, steht als Synonym: Zusammenarbeiten. Zusammenarbeit passiert manchmal ganz von allein, manchmal kann sie aber auch schwierig und herausfordernd sein. Dies, weil beide Parteien eine andere Vorstellung der Zusammenarbeit haben und somit nicht dasselbe Ziel verfolgen. Und so muss ein Kompromiss eingegangen werden. Das heisst, wir kooperieren, müssen aber zugleich unsere Bedürfnisse oder Wünsche zurückstellen oder aufschieben.

Zurück zu unseren Kindern – wie gesagt, auch sie wollen mit uns zusammenarbeiten. Aber so, wie es uns Erwachsenen nicht immer gelingt mit dem Partner, dem Chef, den Nachbarn usw. zusammenzuarbeiten, gelingt es auch unseren Kindern nicht immer. Warum dies nicht immer funktioniert, kann vielfältige Gründe haben. Manchmal muss man etwas genauer hinschauen und ein bisschen länger überlegen, warum das Zusammenleben und damit Zusammenarbeiten in der Familie immer wieder zu Konflikten führt.

Und da hilft manchmal ein Blick zum Murmelglas…

Das Bild des Murmelglases

Stellt euch vor, wir alle (Erwachsene und Kinder) stehen am Morgen auf und uns steht ein Glas gefüllt mit Murmeln zur Verfügung. Jedes Mal, wenn wir mit jemandem kooperieren müssen und es uns nicht leichtfällt, geben wir eine Murmel ab. Wenn es uns die Kooperation viel Überwindung kostet, geben wir sogar zwei Murmeln ab. So wird das Glas im Verlauf des Tages immer leerer und leerer. Und vielleicht könnt ihr euch ja schon jetzt vorstellen, warum es abends beim Zubettgehen oftmals schwierig wird – genau! – das Glas ist leer. (Übrigens, die Idee des Murmelglases ist nicht von mir – das habe ich an einem Vortrag gehört und für gut empfunden.)

Aber starten wir nochmals am Morgen. Ich berichte euch gerne von meinem Kugelglas und wie es sich im Verlaufe des Tages leert. Die erste Kugel verschenke ich bereits an meinen Wecker (nein, stimmt nicht ganz– der läutet immer 2-mal, also 2 Kugeln…). Die dritte Kugel verschwindet vermutlich dann am Frühstückstisch, wenn die Kinder sich zum ersten Mal streiten und ich versuche den Streit zu schlichten. Dann geht’s los zur Arbeit: da verliere ich regelmässig Kugeln an den PC, den Drucker und Mails schaffen es auch die eine oder andere Kugel zu rauben. Den ganzen Tag über bin ich gefordert mich anzupassen, zu kooperieren und damit Kugeln aus meinem Murmelglas abzugeben. Wer meinen ersten Blogbeitrag gelesen hat weiss, dass es für die Hausaufgaben auch mehr als eine Murmel braucht (sowohl bei den Kindern, als auch bei mir) 😉.

So und nun stellt euch nochmals eine Abendsituation vor – genau! – gleiche Antwort wie vorhin. Kooperieren klappt nicht mehr, weil das Glas leer ist – aber nicht nur mein Glas, sondern die Gläser aller Beteiligten.

Und was jetzt?

Im Gegenzug zu den Kindern habe ich gelernt meine Bedürfnisse aufzuschieben, mit meinem Frust umzugehen und damit meine Emotionen zu regulieren. Das hilft mir, dass mein Murmelglas länger gefüllt bleibt. Ganz anders bei den Kindern. Kindern fällt es noch schwer ihre unmittelbaren Bedürfnisse und Emotionen aufzuschieben. Diese Fähigkeit entwickelt sich bei ihnen erst, was bedeutete, dass sie täglich viel mehr Murmeln zur Kooperation benötigen als wir Erwachsenen.

Natürlich ist dieses Murmelglas kein Wundermittel, damit in der Familie alles rund läuft. Aber seit ich mir dieses Bild mit den Murmeln regelmässig vergegenwärtige, habe ich mehr Geduld und Verständnis, wenn es in unserer Familie knistert und brodelt Mit etwas «Mama Magie» schaffe ich es zumindest in mein Glas noch ein paar Murmeln hineinzuzaubern. Und so schaffe ich es als Erwachsener, doch noch zu kooperieren und besser auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen.

Versucht doch auch, den Blick auf das Murmelglas zu richten. Klappt es trotzdem nicht mit der Kooperation in der Familie, dann meldet euch bei mir. Gemeinsam finden wir Möglichkeiten und Wege die Situation zu optimieren und allenfalls zu verändern.