dritter Beitrag – Belohnungs- und Bestrafungssysteme

Ist dies bereits der dritte Blog-Beitrag, den ihr von mir liest? Wunderbar, dann könnt ihr euch demnächst drei schöne Sticker bei mir abholen. Sobald ihr euch noch zwei weitere dazu verdient habt, dürft ihr euch in der Chinderschtuba etwas aussuchen.

Komische Vorstellung, oder?

Schon sind wir mittendrin im Thema: Belohnungs- und Bestrafungssysteme als Hilfsmittel in der Erziehung.

In diesem Beitrag geht es nicht um Strafen und die damit verbundenen Konsequenzen. Diesem Thema werde ich mich ein anderes Mal widmen. In diesem Beitrag möchte ich mit euch ein paar Gedanken zu Belohnungs- und Bestrafungssystemen teilen und aufzeigen, was für Einflüsse der Gebrauch solcher Systeme für das Zusammenleben in der Familie hat.

Die Theorie

Belohnungs- und Bestrafungssysteme werden der Theorie der operanten Konditionierung zugeordnet (hier findest du mehr Infos dazu). Die Grundidee der Konditionierung lässt sich folgendermassen erklären: Indem positives Verhalten unmittelbar positiv belohnt wird, wird dieses Verhalten auch weiterhin gezeigt. Wird im Gegenzug negatives Verhalten bestraft, so wird das negative Verhalten weniger gezeigt. Belohnungssysteme gehören in die erste Spalte. Bei gutem Verhalten wird eine Belohnung hinzugefügt, in der Hoffnung, dass dieses Verhalten vermehrt gezeigt wird. Die Bestrafungssysteme gehören in die 3. und 4. Spalte. Ein Strafreiz wird bei schlechtem Verhalten hinzugefügt – also zum Beispiel es kommt eine gelbe Karte dazu (Spalte 3). Nach 3 roten Karten folgt dann die richtige Strafe – zum Beispiel Fernsehverbot (Spalte 4). Dies die Theorie – also halb so schlimm, wenn ihr nicht alles verstanden habt – wechseln wir nun wieder in den Alltag.

https://lp.thieme.de/is/cne-notfallpflege/course/1272/de_DE/innercontent.13778.3.4.html

Die Praxis

Ja, auch ich habe schon mit solchen Systemen gearbeitet. Einige Male war es die Idee unserer Kinder, einige Male hatte ich selber keine andere Lösung und deswegen habe ich zu dieser Strategie gegriffenMit meinem heutigen Beitrag möchte ich (euch) zum Nachdenken über die Belohnungs- und Bestrafungssysteme anregen. Ich will (euch) aufzeigen, was eine Belohnung und/oder Bestrafung nach sich zieht und weshalb diese mit Bedacht eingesetzt werden sollten.

Beginnen wir mit den Bestrafungssystemen. Diese werden zwar seltener eingesetzt, weil wir intuitiv lieber belohnen als bestrafen. Schauen wir uns doch ein Bestrafungssystem an einem konkreten Beispiel an: jedes Mal, wenn das Kind den Fernseher nicht wie abgesprochen ausschaltet, erhält es eine Karte. Die Farben ändern sich von gelb, zu orange hin zu rot. Ist das Kind bei der roten Karte angelangt, darf es einen Tag lang nicht mehr fernsehen.

Ganz clevere Exemplare werden die ersten 2 Karten opfern, sich dann zusammenreissen und an die Regeln halten. Dabei wäre doch das Ziel, dass das Kind lernt, sich an Abmachungen und Vorgaben zu haltenBestrafungssysteme führen jedoch oft dazu, dass die Kinder lernen, wie man solche Systeme mit den damit verbundenen Regeln und Sanktionen am besten umgeht, um daraus den grössten Nutzen zu ziehen. Zugegeben, dass ist auch eine wichtige Kompetenz – aber nicht das, was ich eigentlich möchte – nämlich den Fernseher ausschalten, wenn es Zeit dazu ist!!

Wie sieht es aus mit Belohnungssystemen? Auch hier rate ich zu einem kritischen Umgang. Warum? Hier ein Beispiel:

Nehmen wir an, immer wenn das Kind 10 Minuten in einem Buch liest, erhält es einen Sticker. Bei 10 Stickern gibt es eine Belohnung. Kurzfristig mag dies das Kind motivieren – langfristig kann es einige Probleme mit sich bringen. Das Kind wird nicht mehr aus eigenem Interesse lesen, sondern nur noch der Belohnung wegen. Irgendwann ist die Belohnung nicht mehr attraktiv, was dazu führt, dass wir jedes Mal noch tiefer in die Trickkiste greifen und noch tollere Belohnungen hervorholen müssen. Belohnungssysteme können somit die Motivation negativ beeinflussen – man arbeitet nur noch der Belohnung wegen und Belohnungen werden mit der Zeit unattraktiv.

Bei  mehreren Kindern in der Familie passt man vielleicht die Systeme an die Kinder an – das wird schnell einmal ziemlich komplex, die Familie verliert den Überblick und findet das Verteilen von Punkten oder Stickern nur noch anstrengend und mühsam. Alternativ könnte ein einziges System für alle Kinder genutzt werden. Was aber, wenn Kind B gar keine Schwierigkeit hat mit Einhalten der Fernsehzeit? Kind A wird sich bald ungerecht behandelt fühlen, da Kind B so nie eine Strafe erhalten wird.

Langer Rede kurzer Sinn: In der Regel helfen Belohnungs- und Bestrafungssysteme nur sehr kurzfristig. Sie helfen das Problem oberflächlich zu lösen, führen aber meistens keine Verhaltensveränderung herbei. Das Abschaffen – vor allem der Belohnungen – kann sich schwierig gestalten und nicht selten entsteht ein neues Konfliktfeld.

Was kann ich sonst tun?

In der Regel steht man vor einer Herausforderung im Alltag mit dem Kind/den Kindern, wenn man ein Belohnungs- und Bestrafungssystem einsetzt. Stattdessen können folgende Überlegungen helfen, Alternativen zu diesen Systemen einzusetzen:

  • Kennt das Kind meine Erwartungen und sind diese auch realistisch für das Kind?
  • Hat das Kind noch Murmeln (Link) für die Kooperation zur Verfügung?
  • Kann ich vielleicht eine materielle Belohnung durch eine andere Belohnung ersetzen? Zum Beispiel gemeinsame Zeit oder Anerkennung?
  • Reicht ein direktes Loben des gewünschten Verhaltens und ein direktes Missbilligen der Situation aus?

Möchtest du mehr zu diesem Thema erfahren? Dann empfehle ich dir meinen Kurs: so sag ich’s meinem Kind: wie Kinder zum Mitmachen und Zuhören motiviert werden.